Vom Traurigsein

In diesem Advent ist alles ein bisschen anders. Auf meinen täglichen Wanderungen mit Nika durch Wälder und über Felder verschleiern immer wieder Tränen meine Sicht. Ich bin zwar nie so richtig vorweihnächtlich gestimmt, verspüre aber im Advent immer eine gewisse extra - Wehmut und Sensibilität. Ich mache mir dann viel öfter Gedanken über das Leben, über unseren Überfluss, die kaufwütigen Menschen hier, die Hungernden dort. Es beschäftigen mich alle Klischeesorgen wie Umweltverschmutzung, Menschenausbeutung, Tierquälerei, Ungerechtigkeit, Streitigkeiten und Krankheiten. Unser Druck. Die Normen. 

Und nun hat eine der besten Freundinnen meiner Eltern vor ein paar Tagen ihre Flügel ausgebreitet, um zu den Sternen zu fliegen. Sie war zwei Monate krank. ZWEI Monate. Als ich sie vor drei Monaten bei Migros getroffen hatte, war sie die fröhliche, gesunde Sportskanone, welche ich gekannt hatte, seit ich ein kleines Mädchen war. Nun hatte sie nicht einmal zwei Monate Zeit, um sich von ihren Liebsten zu verabschieden. Zwei Monate, von welchen wir so oft sagen: uff, nur noch zwei Monate! Diese acht Wochen schaffen wir auch noch... und dann stecken wir den Kopf zurück in die Arbeit und wuseln weiter. Was sind denn schon zwei Monate? 

So oft leben wir irgendeinem Ziel entgegen und vergessen dabei, dass das Leben JETZT stattfindet, dass der Weg zum Ziel das eigentliche Leben ist. Und plötzlich bleibt nur noch so wenig Zeit...

Für diese Adventszeit habe ich mich entschieden, mehr denn je UNSER Leben mit unseren Prioritäten zu leben. So oft frage ich mich, wie viele Adventszeiten uns überhaupt noch zustehen? Wir haben gestern die zweite UND die dritte Adventskerze angezündet, weil letzte Woche anderes wichtiger war. Unfassbar, aber es ging unter! Wir haben noch keine einzige Sorte Guetsli gebacken. Dafür lesen der jüngere Sohn und ich uns abwechselnd und gemütlich die Geschichte aus dem Adventskalenderbuch vor. Weil er es gerade braucht, habe ich mich in den letzten Tagen unzählige Male an ihn gekuschelt, bis er eingeschlafen ist und dabei nicht genervt auf die Uhr geschaut. Er hat mir in ernsten, tränenreichen Gesprächen sehr genau erklärt, dass er nicht in einer Kirche und nicht auf einem Friedhof beerdigt werden will. Und dann lagen der ältere Teenie-Sohn und ich spät abends auf seinem Bett, als er erschrocken feststellte, dass wir ja eigentlich gar nicht wissen können, ob wir gesund sind. Dass man tödliche Krankheiten im Körper haben, aber noch nichts davon wissen kann... er - der in seiner teeniebedingten Hirnumbauphase tiefschürfende Gedanken eher meidet - hielt den Gedanken fast nicht aus und wir entschieden uns, zu vertrauen und zu versuchen, in jedem Tag etwas Kleines bis Grosses bewusst zu geniessen. Oder es zumindest zu versuchen. Und neben all dem Gemotze auch mal dankbar zu sein.

Auf der einen Seite diese ewige Maschinerie und auf der anderen Seite das jederzeit endliche Leben. Manchmal so ungerecht verteilt. Ich bestaune unsere Gabe (oder den Selbstschutz), Tod und Krankheiten zu verdrängen, bis sie uns ab und zu aus nächster Nähe konfrontieren. Ich bewundere alle kranken Menschen, die den Glauben an das Leben und die Liebe nicht verloren haben.... und alle die, die gelernt haben, mit Schmerz und Trauer umzugehen und täglich damit leben.

***** - wir werden dich nicht vergessen! 

Alles Liebe an dich da draussen. Lebe DEIN Leben 🖤. 

Simone
www.sieda.ch